- Project Runeberg -  Axel Hägerström : eine Studie zur schwedischen Philosophie der Gegenwart /
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(1939) [MARC] [MARC] Author: Ernst Cassirer - Tema: Philosophy
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Full resolution (JPEG) - On this page / på denna sida - 4. Recht und Mythos

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AXEL HÄGERSTRÖM 105
punkt des Problems verschiebt sich damit von der Wirklichkeit des
Vertrags nach seiner »Möglichkeit». Wie die theoretische Philosophie
die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung, als wissenschaftliche
Erfahrung, zu untersuchen hat, so hat es die praktische Philosophie
mit den Bedingungen der Möglichkeit der Rechtserfahrung und der
sozialen Erfahrung zu tun. Und hierfür wird vom Naturrecht die Fä-
higkeit des »Versprechens» in Anspruch genommen und als ein ober-
stes Prinzip erklärt. Niemand wird heute die Eösung, die hier darge-
boten wird, einfach übernehmen und gutheissen wollen; — aber dass
das Naturrecht ein echtes philosophisches Problem gestellt hat, braucht
nicht bestritten zu werden. Es ist unmöglich, aus irgend einem »ur-
sprünglichen Vertrag» die Substanz des Rechtes und den Inhalt der po-
sitiven Rechtssatzungen herzuleiten. Aber andererseits muss zuge-
standen werden, dass alle Rechtsordnung zu ihrem Bestände jener
eigentümlichen Funktion bedarf, die das Naturrecht mit dem Begriff
des Vertrages zu bezeichnen versucht. Solange der Mensch einfach in
der Gegenwart lebt und in seinem Tun lediglich der Gewalt der gegen-
wärtigen Eindrücke unterliegt, kann es für ihn zwar etwas wie eine
Bindung an Brauch und Sitte geben — denn diese stehen selbst als
unmittelbar-gegenwärtige Mächte vor ihm, die ihn umfangen und sein
gesamtes Vorstellen und Wollen in eine bestimmte Richtung zwingen
—• aber der Gedanke einer Rechtsordnung im strengen Sinne kann hier
noch nicht auftreten. Diese entsteht erst, wenn das Denken sich dazu
erhebt, das Hier- und Jetzt-Gesetzte über den einzelnen Moment der
Setzung zu erweitern, und es, im Prinzip, über die Zukunft auszudeh-
nen. Die Bestimmbarkeit der Zukunft durch die Gegenwart und die
Verbindlichkeit dessen, was die Gegenwart beschlossen hat, für die Zu-
kunft ist ein Moment, das in jede »mögliche Gesetzgebung» eingeht.
Das Recht als Kulturfaktum beruht auf dieser Antizipation, auf der Vor-
wegnahme der Zukunft in der Gegenwart. Ohne diesen eigentümlichen
»Fernblick» hätte der Mensch keine rechtliche Ordnung und keine so-
ziale Ordnung aufzubauen vermocht. Das Recht — so betont Häger-
ström selbst — ist unleugbar eine Bedingung der Kultur, »ohne das-
selbe hätte der Mensch sich niemals über das Tier erheben und sich die
Herrschaft gegenüber anderen Gattungen erkämpfen können.»1) Aber
dies beruht eben darauf, dass im Recht wie in der Sprache eine eigen-
b Litteris V, 1928, S. 24.

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