- Project Runeberg -  Kyrkohistorisk Årsskrift / Tjuguandra årgången, 1922 /
96

(1900)
Table of Contents / Innehåll | << Previous | Next >>
  Project Runeberg | Catalog | Recent Changes | Donate | Comments? |   

Full resolution (JPEG) - On this page / på denna sida - I. Undersökningar - R. Reitzenstein, Vorchristliche Erlösungslehren

scanned image

<< prev. page << föreg. sida <<     >> nästa sida >> next page >>


Below is the raw OCR text from the above scanned image. Do you see an error? Proofread the page now!
Här nedan syns maskintolkade texten från faksimilbilden ovan. Ser du något fel? Korrekturläs sidan nu!

This page has never been proofread. / Denna sida har aldrig korrekturlästs.

I O 2

R. REITZENSTEIN

religiöse Empfinden sich nie völlig in den Worten und Bildern
ausdrücken lassen und kann dabei nur durch Wort und Bild
weiter wirken und in andern neue religiöse Empfindung
erwecken, die nun ganz anders von dem einmal geprägten Wort
oder Bild abhängig wird, es als massgebend annehmen muss.1
Eine feste Formelsprache entsteht und lebt fort, selbst wenn
das Empfinden allmählich sich ändert; was ursprünglich ganz
sinnlich empfunden wurde, geht als kaum verstandener
konventioneller Ausdruck weiter, ja geht zu Völkern und in Sprachen
über, welchen die ursprüngliche Anschauung notwendig fehlt.
Und wie die Sprache jedes einzelnen Volkes, richtig verhört,
uns seine ganze Geistesgeschichte und vor allem die Geschichte
seines Empfindungslebens darlegt und untrüglichen Aufschluss
über Entwicklungen gibt, von denen kein Historiker berichtet,
so muss auch die religiöse Sprache der Gesamtheit der
Kulturvölker2 uns dereinst Entwicklungen und Beziehungen lehren
können, von denen die trümmerhafte äussere Überlieferung uns
nichts bewahrt hat. Sind es doch überraschend wenige feste
Bilder und Formeln, mit denen sie arbeitet; jedes Bild, jede
Formel hat ihre Geschichte, und wenigstens für viele wird es
gelingen, wenn auch nur allgemein, die Sphäre zu bestimmen,
in der sie die ursprüngliche sinnliche Anschaulichkeit besassen
oder einem bezeugten Kultbrauch entsprachen, während sie an
anderen Stellen nur in übertragenem Sinn, gewissermassen
farblos, weiterleben. Verbinden aber muss sich solche
Einzelarbeit stets mit der Beobachtung der Grundvorstellungen, die
sich die grossen Völkerfamilien von dem Verhältnis von Gott
und Mensch, Leib und Seele, Geist und Materie machen. Sie

1 Selbst im modernen Leben und selbst bei einem Goethe zeigt der
Wort- und Bilderschatz auf religiösem Gebiet am leichtesten die Einflüsse,
die auf ihn gewirkt haben.

2 Ich möchte die Bedeutung der Erforschung der Religionen
kulturloser Völker, der sogenannten Primitiven, nicht bestreiten, aber doch warnen,
sie zu überschätzen, wenigstens gegenüber der Beobachtung der frühsten
Stadien grosser historischer Religionen und des Denkens erwachender und
emporstrebender Völker. Wenn wir von dem Erleben eines Volkes gar nichts
wissen, steht dem Verständnis seines gegenwärtigen Denkens stets viel
entgegen, und das Denken der zurückgebliebenen oder zurückgesunkenen und
verkümmerten Völker schlechthin dem ursprünglichen gleichzusetzen und
daraus Entwicklungstheorien abzuleiten, scheint mir methodisch nicht
ein-wandsfrei. Doch möchte ich hierauf nicht eingehen.

<< prev. page << föreg. sida <<     >> nästa sida >> next page >>


Project Runeberg, Sun Dec 10 14:07:01 2023 (aronsson) (download) << Previous Next >>
https://runeberg.org/kyrkohist/1922/0110.html

Valid HTML 4.0! All our files are DRM-free