Full resolution (JPEG) - On this page / på denna sida - I. Undersökningar - Tor Andrae, Der Ursprung des Islams und das Christentum. III. Die Eschatologische Frömmigkeit Muhammeds
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DER URSPRUNG DES ISLAMS UND DAS CHRISTENTUM 2 57
die religiösen Grundgedanken Muhammeds. Nur auf einen nicht
unwichtigen Unterschied möchte ich hier aufmerksam machen.
Die Furcht vor dem Gericht hat im Urchristentum noch eine
durchaus ungekünstelte, gleichsam selbstverständliche
Bedeutung in der Frömmigkeit, im Koran aber ist dieser Ernst des
Jenseitsglaubens übermässig, ich möchte sagen technisch
ausgebildet. Von einer Furcht, bei der die Herzen zittern und
die einem Schauer über den ganzen Leib jagt, wissen die
urchristlichen Verfasser noch nichts und sie brauchen auch nichts
davon zu wissen, denn der religiöse Ernst des
Zukunftsgedankens steht ihnen auch ohnehin fest genug.
Wichtiger aber noch ist der Unterschied in einer anderen
Hinsicht. Wir haben bisher erst die eine Seite der
eschato-logischen Frömmigkeit des Urchristentums in Betracht gezogen.
Der Richter, dessen Ankunft die Gläubigen in heilsamer Furcht
erwarten, ist noch mehr als nur ein Richter. Es ist der im
Kultus schon anwesende gnadenreiche Kyrios der Gemeinde,
der einst offenbar werden soll und die Seinigen aus dieser
bösen Welt erlösen wird. Es tritt daher neben die Furcht
vor dem Gericht die heisse Sehnsucht nach der Parusie des
Herrn. Die Spannung zwischen diesen beiden Momenten gibt
der urchristlichen Frömmigkeit ihr eigentümliches Gepräge. Wenn
die Frommen das Mahl des Herrn gefeiert haben, dann beten
sie, dass die ersehnte Stunde bald kommen möge: è),&ézià yäp’.?
y.cà iiapsX&£TM 6 xöa(J.o? ooto? (Didache X, 6). Nicht minder
inbrünstig wie einst die jüdischen Frommen flehen auch die
Christen, dass das Ende bald kommen möchte ob sie auch
wissen, dass dies der Tag des Zornes und der
Wiedervergeltung ist: Vota nostra suspirant in saeculi huius occasum, in
transitum mundi quoque ad diem domini magnum, diem irae
et retributionis, diem ultimum et occultum (Tertull., De
re-sur. caiTtis 22).1
Wenn die starke Spannkraft der eschatologischen
Hoffnungen in der Folgezeit allmählich nachlässt, und man die
Ankunft des Herrn nicht mehr als unmittelbar bevorstehend
erwartet, hat diese Verschiebung der Perspektive zunächst
bewirkt, dass man das Gericht ruhiger betrachtet, wie ein Ge-
1 Freilich bitten die Christen auch zuweilen pro mora finis. Das
geschieht aber nur aus Barmherzigkeit gegen die unvorbereiteten Weltmenschen.
Apolog., 39.
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