Full resolution (TIFF) - On this page / på denna sida - IV. Jeremia. Der Prophet des neuen Bunde - 5
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— IIO —
Jeremia, als ich dich dort oben stehen sah, auf der Treppe
zum Haupttor, so frei und erhaben und losgelöst von
allem Irdischen, kein Mensch mehr, nichts als Stimme,
Seele, Gewissen, als ich dich dort an der Mauer vor
deinen Richtern stehen sah, so stark und stolz, hoch
über Leben und’Tod, befreit von allem Zwange, folgend
bloß dem einen Zwange, der vom Herrn kommt — da
jubelte es in meinem Innern: Dies ist mein Prophet, mei-
nes Lebens Licht! Jeremia, ich beschwöre dich, wende
nicht dein Antlitz weg von deinem Diener. Laß mich
wandeln an deiner Seite, bis an den ’Tod!
— Geh, Baruch, hier ist kein Platz für dich. Ein Unglück-
licher ist Jeremia und Gottes Fluch lastet auf ihm. Ein-
sam wanderte ich auf Erden, alle meine Lebenstage. Ich
wurde hinausgeschleudert aus dem Schoße der Familie,
ich weilte nicht ım fröhlichen Freundeskreise, ich ver-
sagte mir das Glück, an der Seite von Weib und Kind das
Leben zu genießen. Wenn du wüßtest, Baruch, was es
bedeutet, einsam zu sein, allein im Weltenraum zu schwe-
ben, Tag und Nacht, Jahr um Jahr, ohne Bruder und
Freund, ohne ein lebendes, mitfühlendes Wesen neben
dir, das deine Hand drückt, das dir einen warmen Blick
schenkt, dir ein mildes Wort ins Ohr flüstert. Kannst du
es fassen, Baruch! Ein Mensch, auf dessen Lippen das
Lächeln für immer erstorben ist! Nein, du kannst es
nicht, du sollst es nıcht fassen. Geh, Baruch, kehre zum
Leben zurück!
O Erde, Erde, Erde, warum hast du mich nicht ver-
schlungen, ehe ich das Licht der Welt erblickte! Ach,
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