- Project Runeberg -  Axel Hägerström : eine Studie zur schwedischen Philosophie der Gegenwart /
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(1939) [MARC] [MARC] Author: Ernst Cassirer - Tema: Philosophy
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Full resolution (JPEG) - On this page / på denna sida - 3. Die Moralphilosophie

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68 ERNST CASSIRER
chen ihrer Väter verzehren würden. Als die Griechen einen solchen
Gedanken entrüstet von sich wiesen, Hess Dareios die Vertreter eines
indischen Stammes vortreten, bei dem die Sitte der Leichenverzehrung
galt, und fragte sie, ob sie sich jemals entschliessen könnten, an Stelle
derselben den griechischen Brauch der Feuerbestattung anzunehmen,
was sie, mit nicht geringerer Empörung, verneinten. Beispiele dieser
Art haben in der Moralphilosophie stets eine grosse Rolle gespielt; seit
Montesquieus »Lettres Persanes» bilden sie auch ein beliebtes und oft
behandeltes litterarisches Thema. Aber wenn wir sie näher analysieren,
so zeigt sich, dass sie kaum geeignet sind, die These zu stützen, die
durch sie erhärtet werden soll. Denn was lehrt uns die vergleichende
Ethnologie und Soziologie in diesem Punkt? Thurnwäldt hat in einem
Überblick über die Bestattungsgebräuche aller Völker betont, dass sich
vielleicht auf keinem anderen Gebiet »eine so bunte Mannigfaltigkeit
von Gebräuchen und Gedanken» feststellen lasse, wie hier. Aber es
gelingt ihm nichtsdestoweniger, gewissermassen den roten Faden auf-
zuzeigen, der durch alle diese Gebräuche und Gedanken hindurchgeht.
Er weist darauf hin, dass innerhalb der »niedrigen Kulturhorizonte» zu-
nächst die Furcht vor dem Tode alles andere überwiege. »Die Reak-
tion, den Ort des Todes zu meiden und in egozentrischer Weise vor dem
Unerfreulichen und Unsicheren die Flucht zu ergreifen» macht sich hier
allein geltend, und sie führt dazu, dass die Leiche einfach liegen gelassen
wird, ohne irgend eine Art der Behandlung zu erfahren. Aber im Fort-
gang der Kulturentwicklung tritt hierin allmählich ein Wandel ein.
Die Furcht wird jetzt von anderen Vorstellungen überwogen und über-
wunden, die sich auf den Toten selbst, auf das Fortleben seiner Seele
und auf deren Wohl und Wehe beziehen. Mit Rücksicht auf dieses Fort-
leben wird die Sorge für den Leichnam, schon im Kreise der Primitiven
und noch mehr in allen grossen Kulturreligionen der Erde, zu einem
allgemeinen Gebot. Die verschiedenen Modi dieser Fürsorge ändern
offenbar nichts an der Einheit der Grundauffassung. Denn sie entstam-
men weit mehr der Verschiedenheit der mythischen Vorstellungswelten,
als einem Gegensatz in dem, was praktisch bejaht und anerkannt wird.
Der Ahnenkult als solcher ist das Verbindende, und er gilt als
ein »Sein-Sollendes »; aber in welcher Art dieser Kult geübt wird, hängt
von der jeweiligen Auffassung ab, die man sich vom Leben nach dem
Tode macht. Je nach dieser Auffassung wandeln sich die Bestattungs-
riten, die damit einer fast unbeschränkten Variation fähig werden, in

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