- Project Runeberg -  Axel Hägerström : eine Studie zur schwedischen Philosophie der Gegenwart /
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(1939) [MARC] [MARC] Author: Ernst Cassirer - Tema: Philosophy
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Full resolution (JPEG) - On this page / på denna sida - 4. Recht und Mythos

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io8 ERNST CASSIRER
allein das Moment des äusseren Zwanges; ja dieses letztere wird in ihr
gerade überschritten und aufgehoben. Es ist ein aktives Sich-Bin-
den, nicht eine bloss passive Gebundenheit, was sich in ihr ausdrückt.
»Pflicht» — so hat Goethe einmal prägnant und charakteristisch
definiert ■—•: wo man liebt, was man sich selbst befiehlt».1) In dieser
Fähigkeit des Sich-selbst-Befehlens erlangt der Wille erst seine eigent-
lich-ethische Qualität. Auf ihr beruht das, was man die sittliche »Per-
sönlichkeit », was man die Einheit, die Geschlossenheit, die innere Kon-
sequenz des Charakters nennt. Und in dieser Form des Wollens, in
dieser aktiven Selbstgestaltung haben wir abermals die mythische Vor-
stellungsweise weit hinter uns gelassen. Der »Wüle» ist hier nicht
länger die Bezeichnung für irgend eine geheimnisvolle Urpotenz des
Seins, die im Menschen herrscht, und die vielleicht als unbewusste
Macht, als »blinder Wille», auch alles Naturgeschehen durchdringt.
Er besagt lediglich eine bestimmte Grundrichtung des Bewusstseins:
die Richtung auf ein Nicht-Gegebenes, Zukünftiges, erst zu Verwirk-
lichendes. Und diese Richtung ist auch für alle Rechtsgestaltung cha-
rakteristisch und unentbehrlich: denn auf ihr beruht die Möglichkeit,
dass eine hier und jetzt getroffene Entscheidung über den Einzelfall
hinauswachsen, dass sie künftige Fälle »präjudizieren» kann.2) Diese
Richtung auf ein Nicht-Gegebenes lässt sich nicht als eine blosse
Täuschung, als eine leere Fiktion bezeichnen. Es drückt sich darin
vielmehr eine eigene und unentbehrliche »Intention» aus, die dem
Gefühl als solchem mangelt. Und ebenso hebt sich die »prospektive»
Richtung des Willens deutlich von der retrospektiven der Erinnerung
und von der auf das Gegenwärtige gerichteten Funktion der Wahrneh-
mung und der gegenständlichen Anschauung ab. Dass ohne eine solche
Fähigkeit des Vorblicks und Vorausblicks jenes Phaenomen, das wir
menschliche »Kultur» nennen, nicht möglich wäre, liegt auf der Hand.
Eine kritische Kulturphilosophie wird daher den »Willen» in der hier
angegebenen Bedeutung, unter die »Bedingungen der Möglichkeit» der
Kultur rechnen dürfen, wenngleich sie sich nicht anheischig machen
wird, ihn bis zu seiner letzten metaphysischen Wurzel zurückzuverfol-
gen und ihn in diesem Sinne zu »erklären. »
*) Goethe, Maximen und Reflexionen, Ausg. Max Hecker, Weimar 1907, No. 829.
2) Vgl. ob. S. 93 f. Dieser Gedanke des »Präjudiz » ist besonders im englischen
Common law lebendig; vgl. hierzu die Ausführungen Hägerströms, Obj. rätt.begr.,
S. 2 ff.

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