Full resolution (JPEG) - On this page / på denna sida - 3. Die Moralphilosophie
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7o ERNST CASSIRER
wie stark die römische Gentilverfassung und weiterhin die gesamte
gesellschaftlich-politische Ordnung des römischen Staates im Ahnenkult
der Römer, in ihrer Verehrung der Laren, der Manen und Penaten
wurzelt.1) In alledem erkennt man, dass es, im Theoretischen wie
im Praktischen, einen Fortschritt vom Besonderen zum Allgemeinen,
und in diesem Sinne zum »Objektiven» gibt. Denn auch in der theore-
tischen Erkenntnis scheint uns ja ein Begriff nur darum »wahrer» als
der andere, weil er im stände ist, einen grösseren Erfahrungskreis zu
umfassen und in seiner Gesetzlichkeit zu bestimmen. Und auch hier
halten wir zwar unverbrüchlich an der Forderung eines »Objektiv-
Realen » fest und setzen die Gegenstandsbeziehung als solche, ihrem
allgemeinen Charakter nach, bei jedem einzelnen Erfahrungsschluss
voraus; aber zugleich müssen wir zugeben, dass das »Was» dieser
Realität einer steten Änderung fähig ist, sodass uns in verschiedenen
Phasen der theoretischen Erkenntnis ein ganz verschiedenes Bild der
»Wirklichkeit» entgegentritt.
Aber damit scheint freilich die eigentliche Schwierigkeit noch nicht
berührt. Denn die verschiedenen Systeme moralischer Vorstellungen,
die wir in der Erfahrung antreffen, und die durch Sitte und Brauch
oder durch religiöse Lehren ihre Sanktion erhalten haben, liefern uns, wie
wir gesehen haben, immer nur »hypothetische» Regeln: sie stellen fest,
dass wenn eine bestimmte Prämisse gilt, die als feststehend angesehen
und anerkannt wird, an sie bestimmte Schlussfolgerungen geknüpft
sind. Die -philosophische Ethik aber hat sich niemals mit solchen hypo-
thetischen Imperativen begnügt, sondern sie hat »kategorische Impera-
tive» an ihre Stelle zu setzen gesucht. Sie entstand erst, als sich im
Kreise des griechischen Denkens die Begriffe der »Sitte» und der »Sitt-
lichkeit » von einander zu scheiden begannen. Die Sitte fragt nicht nach
ihren Ursprüngen und nach dem Grund ihrer Geltung; das fraglose
Verharren im Gegebenen und Überlieferten bildet vielmehr einen ihrer
Grundzüge. Die griechische Philosophie aber will diesem Verharren ein
Ende machen. Sie beginnt mit der Sokratischen Frage, was das Schöne,
das Gerechte, das Gute »sei», und wie es zu begründen sei. Diese
Forderung des »Rechenschafts-Ablegens», des loyov ôiôôvcu, ist ein
neuer Zug, der bei Platon zu einer »Revolution der Denkart» in allen
b Vgl. auch W. F. Otto, Die Manen oder von den Urformen des Totenglaubens,
eine Untersuchung zur Religion der Griechen, Römer und Semiten und zum Volks-
glauben überhaupt, 1923.
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