Full resolution (JPEG) - On this page / på denna sida - 4. Recht und Mythos
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100 ERNST CASSIRER
das Eigentumsrecht an einem Apfel zusteht, so bedeutet dies . . . dass
mein Geist die Möglichkeit hat, den Apfel zu essen. Der Ursprung
dieser mystischen Vorstellungsweise liegt zweifellos in stark entwickelten
Kraftgefühlen bei der Verteidigung einer gewissen Position, z. B. wenn
man als erster von einem bisher nicht okkupierten Gegenstand Besitz
ergriffen hat. Solche Kraftgefühle wecken die Vorstellung von objek-
tiven Kräften, die unabhängig von dem Wahrnehmbaren fungieren.
Indes ist es klar, dass damit die Rechtsfakta auch mit einer ausgesproch-
en mystischen Kraft ausgestattet werden.»1)
Ich will hier die Frage nicht aufwerfen, wie weit Hägerström mit
seiner psychologischen Ableitung des Begriffs des »Eigentums » im Rechte
ist. Es bedürfte sehr umfangreicher psychologischer und soziologischer
Einzeluntersuchungen, um auf diese Frage eine befriedigende Antwort
zu geben. Aber das logisch-erkenntniskritische Problem, die Frage
nach dem Wissenschaftscharakter der Jurisprudenz, liegt an einer an-
deren Stelle. Es besteht nicht darin, ob so etwas wie »Eigentum» in
der Wirklichkeit, als eines ihrer Bestandstücke, aufzufinden ist. »Rea-
lität» soll ja nach Hägerström nichts anderes als Bestimmtheit besagen,
und diese Bestimmtheit führt auf den Gedanken der durchgängigen und
widerspruchslosen Verknüpfung zurück. Die theoretischen Begriffe
gehen von dem Postulat einer solchen widerspruchslosen Ordnung der
Wahrnehmungswelt aus; aber die Erfüllung dieses Postulats ist auch
für sie eine schwierige Aufgabe, die die Erkenntnis niemals im »abso-
luten» Sinne zu lösen vermag. Die Gefahr, dass die Einheit, die die
Erkenntnis gestiftet zu haben glaubt, zerbricht, bleibt stets bestehen.
Auch die exakten Wissenschaften sind gegen diese Gefahr keineswegs
gesichert. Die mathematischen Begriffe galten Jahrhunderte lang als
Prototyp aller Gewissheit; sie erschienen auf einer »unmittelbaren
Evidenz» gegründet. Erst die Entwicklung des mathematischen Den-
kens im icjten und 20ten Jahrhundert hat uns darüber belehrt, dass
auch die Mathematik von »Grundlagenkrisen» nicht verschont ist, dass
auch in ihr »Paradoxien» und »Antinomien» auftreten können. Die
Physik glaubte ihren inneren Abschluss erreicht zu haben, als es ihr
gelang, alle Naturphaenomene durch ihre Reduktion auf mechanische
Phaenomene aus Einem Prinzip zu erklären. Aber auch hier erwies
sich dieser Abschluss als verfrüht. Die Phaenomene der Optik und
Elektrodynamik Hessen sich den Gesetzen der Mechanik nicht wider-
1) Festschr. für A. Grotenfelt, 1933, S. 83 f.
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