Full resolution (JPEG) - On this page / på denna sida - 4. Recht und Mythos
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104 ERNST CASSIRER
in seinem Gefühlsgrund mit dem Mythos zusammenhängt, so erlangt es
durch seinen Zusammenhang mit der Sprache erst einen bestimmten
gedanklichen, einen objektiv-fixierbaren Gehalt.
Aber hier, wo wir uns nicht im Gebiet des Wahrnehmens und Vor-
stellens, sondern im Gebiet des Handelns befinden, ergibt sich zugleich
eine neue Bedeutung und Leistung der Sprachbegriffe. Sie haben
jetzt nicht bloss die Aufgabe, bestimmte gegebene Sachverhalte dar-
zustellen, sondern sie müssen gewissermassen in eine andere zeitliche
Dimension hinausgreifen. Das »Sprechen» soll nicht einfach einen
hier- und jetzt gegebenen Tatbestand festhalten und als solchen zum
Ausdruck bringen, sondern es richtet sich auf die Z u k u n f t : es wird
zum »Versprechen». Die Voraussetzung, dass das einmal gegebene
Wort bindet, dass es dem Tun eine bestimmte Richtung vorschreibt, ist
eine der Quellen, aus der das »Rechtsbewusstsein» fliesst. Wenn wir
dieses Bewusstsein zu zergliedern und es in seinem spezifischen Sinn
zu erfassen suchen, so stossen wir immer auf dieses Element. Das Na-
turrecht hat als den Grund aller staatlichen und sozialen Ordnung den
Pakt angesehen, den die einzelnen Individuen untereinander schliessen,
und der Grundsatz: pacta sunt servanda, gilt ihm als oberstes Rechts-
prinzip. Sofern damit eine genetische Erklärung vom Ursprung des
Rechts gegeben werden sollte, sofern der Vertrag als ein historisches
Faktum angesehen wurde, war diese Anschauung leicht zu widerlegen.
Aber Kant, der im ganzen an der Problemstellung des Naturrechts fest-
hält, macht hier einen scharfen methodischen Unterschied. Der »ur-
sprüngliche Vertrag» als Koalition jedes besonderen und Privatwillens
in einem Volk zu einem gemeinschaftlichen und öffentlichen Willen,
ist, wie er betont, »keineswegs als ein Faktum vorauszusetzen nötig,
ja als ein solches gar nicht möglich, gleichsam als ob allererst aus der
Geschichte vorher bewiesen werden müsste, dass ein Volk, in dessen
Rechte und Verbindlichkeiten wir als Nachkommen getreten sind,
einmal wirklich einen solchen Aktus verrichtet. . . haben müsse, um
sich an eine schon bestehende bürgerliche Verfassung für gebunden zu
achten. Sondern es ist eine blosse Idee der Vernunft, die aber ihre
unbezweifelte (praktische) Realität hat; nämlich jeden Gesetzgeber zu
verbinden, dass er seine Gesetze so gebe, als sie aus dem vereinigten
Willen eines ganzen Volkes haben entspringen können»1) Der Schwer-
b Kant, S. W. (Ausg. Cassirer), VI, 380 f.
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