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WELTUNTERGANGS VORSTELLUNGEN 1 5 ’
uralte Volkserinnerungen bieten, solche in jedem zu suchen,
verlockt ja uns alle dazu.
Was ich meine, möchte ich, ohne auf’ die Theorien über den
Ursprung der Religion oder die künstlichen Scheidungen
verschiedener Arten solcher Erzählungen einzugehen, rein empirisch
an dem gewählten Stoff kurz darlegen. Bestimmte Naturvorgänge
wecken die Furcht vor einem allgemeinen Untergang. Man sucht
jene Vorgänge bildhaft zu erklären und anschaulich zu machen:
unter dem Vulkan, dessen Ausbruch von Erdbeben begleitet ist,
liegt das gefesselte Untier oder der Riese, der an seinen Ketten
reisst; die Sturmflut wird von dem ungeheuren Fisch oder der
Schlange erregt, die auf dem Grunde des Wassers ruht. Begreifliche
Weiterbildung macht sie zu dem Todesdämon, der den einzelnen
bedroht; es ist die erste Individualisierung; beträchtlich später
folgt die weitere Gleichsetzung mit dem Bösen. Solche Bilder
sind zunächst lokal gebunden und haben einen geographisch
abgrenzbaren Entstehungskreis. Nun setzt die Erzählung ein und
verbindet sie mit anderen schon stärker individualisierten
Vorstellungen, indem sie z. B. erklärt, wer das Untier gefesselt hat,
und schon in dieser Erweiterung und Individualisierung gibt jedes
Volk unbewusst der an sich unbestimmten und allgemeinen
Vorstellung ein Stück seiner Individualität mit, das um so festere
Gestalt gewinnt, je mehr Mythen an eine Persönlichkeit sich knüpfen
oder doch durch eine gemeinsame Grundanschauung oder
Grundstimmung in Einklang gesetzt werden. Jeder Mythos zeigt den
Drang zu wachsen. Schon hier kann man mit Vorbehalt von einer
Idee, wenn auch einer nur halb bewussten, reden und muss sie dann
als den eigentlichen Kern betrachten, um den sich der Mythos
weiter krystallisiert, indem er die Persönlichkeit immer klarer
herausbildet. So wird für die Heraklessagen wirklich die von
Wilamowitz erkannte Idee ’Mensch gewesen, Gott geworden,
Mühen erduldet, Himmel erworben’ allmählich das Centrum, ganz
gleichgiltig, welche Naturvorgänge, ja vielleicht selbst
Märchenstoffe den einzelnen Elementen zum Anhalt dienten. Nun wandert
gewiss schon das mythische Bild auch zu Völkern, die von dem
Naturereignis, dem es entsprang, keine Vorstellung haben und
daher das Bild zum Teil umdeuten, wie etwa die Meeresschlange
zur Himmelsschlange oder Unterweltsschlange; und weiter wandert
die an sie schliessende Erzählung, etwa von einem Mann, der in
die Unterwelt gekommen und aus ihr wieder befreit ist, fast un-
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