- Project Runeberg -  Axel Hägerström : eine Studie zur schwedischen Philosophie der Gegenwart /
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(1939) [MARC] [MARC] Author: Ernst Cassirer - Tema: Philosophy
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Full resolution (JPEG) - On this page / på denna sida - 3. Die Moralphilosophie

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76 ERNST CASSIRER
spruchslosigkeit der Erfahrungselemente ist uns daher nicht sowohl
gegeben, als sie uns aufgegeben ist. Sie ist kein Dogma, sondern ein
Postulat der Erkenntnis; und ein Postulat, das nur allmählich und
schrittweise seine Erfüllung findet. Jede einzelne Wahrnehmung oder
Anschauung tritt zunächst, ohne jeglichen Skrupel, mit dem Anspruch
auf, sich nicht nur auf einen Gegenstand zu beziehen, sondern der volle
und adaequate Ausdruck der »Wirklichkeit» als solcher zu sein. Aber
diese verschiedenartigen Ansprüche geraten mit einander in Konflikt;
es zeigt sich, dass sie sich nicht vereinigen und sich nicht gleichzeitig
befriedigen lassen. Die Erkenntnis sieht sich fortwährend genötigt,
bestimmte Positionen aufzugeben, um dafür andere behaupten zu
können.
Dieser Prozess, durch den das, was wir das Wirkliche, das
eigentlich-Objektive nennen, gewissermassen ständig von Ort zu Ort
rückt, nimmt seinen Anfang keineswegs erst in der empirischen und
theoretischen Wissenschaft der Natur. Die Tendenz, von der
die Wissenschaft geleitet wird, das Bestreben, an Stelle der fliessenden
Reihe der Phaenomene, die von einem Moment zum andern wechseln,
ein »Sein», d. h. ein Beständiges und Dauerndes zu gewinnen, setzt
schon ein, bevor die eigentliche wissenschaftliche Reflexion beginnt, und
bevor es, kraft ihrer, zu einer strengen Begriffsbildung kommt. Schon
im Kreise der Wahrnehmungserkenntnis lässt sich diese Tendenz auf-
weisen und in ihrer Entwicklung verfolgen. Denn schon die Wahr-
nehmung begnügt sich nicht damit, einzelne sinnliche Daten, so wie sie
hier und jetzt gegeben sind, einfach wie an einem Faden aufzureihen.
Sie hebt aus der Reihe dieser Daten gewisse Bestimmungen heraus, und
sie sieht in ihnen das eigentliche, objektive »Wesen» des Wahrnehmungs-
gegenstandes, das von den »zufälligen» Erscheinungen abgelöst und
ihnen gegenübergestellt wird. Die moderne Psychologie hat uns ge-
zeigt, wie sehr diese Invariantenbildung den gesamten Aufbau der
Wahrnehmungswelt beherrscht. Die sogen. »Konstanzphaenomene »
der Wahrnehmung bilden eines der wichtigsten und der erkenntnis-
theoretisch-interessantesten Kapitel der Wahrnehmungspsychologie.
Wir lernen aus ihnen, dass schon die Wahrnehmung keineswegs der
einfache Ausdruck und Abdruck der physikalischen Reizverhältnisse
ist; dass sie vielmehr an den Daten der Empfindung eine eigentümliche
Unterscheidung, eine Art erster »Kritik» vollzieht, und dass sich durch
diesen Prozess erst dasjenige ergibt, was wir in der gewöhnlichen An-

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