- Project Runeberg -  Axel Hägerström : eine Studie zur schwedischen Philosophie der Gegenwart /
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(1939) [MARC] [MARC] Author: Ernst Cassirer - Tema: Philosophy
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Full resolution (JPEG) - On this page / på denna sida - 4. Recht und Mythos

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102 ERNST CASSIRER
ungen, die bisher »absolut» galten, relativiert oder sogar völlig aufge-
geben und ausdrücklich aufgehoben werden. Die Blutrache ist, inner-
halb des Sippenverbandes, nicht nur Recht, sondern Pflicht; sie ist
der stärkste Ausdruck der Gemeinschaft, durch welche die einzelnen
Glieder der Sippe mit einander zusammengehalten werden. Aber die-
ses »Recht» schlägt in sein Gegenteil um, sobald ein anderes und wei-
teres soziales »Bezugssystem» erreicht ist. An seine Stelle müssen
jetzt andere Rechtsbegriffe und andere Rechtsmittel treten: die Blut-
rache wird durch ein »Wergeid» ersetzt, und sie wird schliesslich durch
die staatliche Strafe völlig verdrängt. Mommsen fasst den Weg der
Rechtsentwicklung dahin zusammen, dass er »von der Selbstverteidi-
gung und der Selbstrache zum Gesamtschutz und zur staatlichen Strafe »
gehe. Wenn das römische Recht diesen Weg beschritten, und wenn es
ihn konsequent weiterverfolgt hat, so ist es eben damit über seine
mythische Gebundenheit hinausgelangt. Es vermochte sich zu einer An-
schauung zu erheben, kraft deren die anfängliche Enge des bäuerlichen
Rechtes sich zum Staatsrecht erweitern und schliesslich in ein »Welt-
recht» übergehen konnte. Im Gedanken der Rechts-Systematik voll-
ziehen die Römer eine neue grosse Synthese, die in gewissem Sinne der
griechischen Anschauung des »Naturgesetzes», wie sie sich seit heu-
kipp und Demokrit herausarbeitet, gleichwertig und ebenbürtig zur
Seite tritt. »Realität» soll nach Hägerströms eigener Definition nichts
anderes als Bestimmtheit bedeuten; der Weg zu ihr wird also, in der
praktischen wie in der theoretischen Erkenntnis, vom Unbestimmten
zum Bestimmten, vom äneiQov zum néoaç, vom Partikularen zum
Universalen führen müssen.
Die Richtung dieses Weges lässt sich deutlicher aufzeigen, wenn wir
das Recht nicht nur in seinem Verhältnis zum Mythos, sondern auch in
seinem Verhältnis zur Sprache betrachten. Das Recht ist zwar,
genetisch betrachtet, aufs Engste mit dem Mythos verbunden; aber es
scheint niemals völlig in ihm aufzugehen. Es grenzt sich einen Bezirk
des »Profanen» ab, innerhalb dessen es sich relativ frei und selbständig
bewegt. Aber es gelangt damit freilich noch zu keiner wahrhaften
»Autonomie». Wenn es sich allmählich der unbedingten Herrschaft
des Mythos entringt, so gerät es damit um so stärker unter die
Herrschaft einer anderen Macht: unter die Macht der Sprache. Denn
es bedarf der Sprache, um sich in seiner Eigenart zu konstituieren, um
sich von Sitte und Brauch allmählich loszuringen. Sitte und Brauch

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