Full resolution (JPEG) - On this page / på denna sida - IV. Unterrichtswesen und geistige Kultur. Einl. von P. E. Lindström - 9. Die schöne Literatur. Von R. Steffen
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DIE SCHÖNE LITERATUR.
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aus originell, und die Virtuosität, mit der er trotz scheinbarer Nachlässigkeit
Reim und Versmass behandelt, ist unübertrefflich. Sein berühmtestes Werk ist
eine Sammlung episch-lyrischer Lieder, »Fredmans epistlar», worin er eine
Anzahl damals lebender, wohlbekannter Stockholmer Typen verewigt. Diese
Bacchusbrüder werden mit einem kräftigen, an die ausdrucksvollen Gemälde der
holländischen Meister erinnernden Naturalismus, gleichzeitig aber mit der ganzen
Anmut der Rokokozeit gezeichnet. Der Zauber, der über Bellmans Liedern liegt,
beruht zum grossen Teil auf der Musik, die mit der Poesie aufs engste
verbunden ist; seine Gedichte sind zum Singen gemacht, nicht zum Lesen. Zu
einigen seiner Lieder hat der Dichter die Melodien selbst erfunden; die der
übrigen gehen meist auf bekannte Weisen zurück, die Bellman den Worten
entsprechend umgeformt hat, so dass sie mit diesen zu einem Ganzen
verwachsen sind. Noch heute singt das schwedische Volk mit Vorliebe die Weisen
Bellmans.
Der französische Einfluss, der während der Freiheitszeit eingesetzt hatte,
erreichte seinen Höhepunkt unter Gustav III. (1746—92), einem der sog.
aufgeklärten Despoten jener Zeit. Gustav HI. war nach Anlage und Erziehung
französisch, und unter seiner Regierung waren französische Ideen und französischer
Geschmack vorherrschend. Dennoch lag es in der Absicht des Königs, die rein
schwedische Kultur zu heben, und die Dichter, die er um sich sammelte,
behandelten meistens vaterländische Stoffe, wenn auch die Darstellungsweise fremde
Anregungen verriet. Nach dem Vorbilde der Französischen Akademie errichtete
der König die Schwedische Akademie, die die Aufgabe erhielt, sich der
Beredsamkeit, der Dichtkunst und der Kultur der Sprache zu widmen. Gustav III.
interessierte sich vor allem für das Drama und verfasste zusammen mit seinen
Schützlingen unter den Dichtern mehrere Dramen und Operntexte. Der
bedeutendste dieser Mitarbeiter des Königs war J. H. Kellgren (1751—95), der
neben Gustav HI. der typischste Vertreter seiner Zeit ist. Durch seine
Beschäftigung mit der französischen Literatur hatte Kellgren sich einen starken
Formensinn angeeignet, weshalb auch sein dichterischer Stil von einer seltenen
Vollendung ist. Als echter Jünger Voltaires war er ein Vorkämpfer für
Zivilisation und Menschlichkeit, und in seiner Zeitung »Stockholmsposten» bekämpfte
er mit den scharfen Waffen der Satire unerschrocken alle Äusserungen der
Unwissenheit, der Roheit und des Aberglaubens. Alle Arten von Vorurteilen, alle
Selbstsucht und alle Machtübergriffe hatten in ihm einen stets wachen Feind.
Obwohl Kellgren- französisch erzogen war, lag doch ein germanischer Zug in
ihm, der sich nicht völlig verwischen liess, und besonders seine späteren
Gedichte zeigen eine Gefühlstiefe und Innerlichkeit, die davon zeugen, dass dieser
hervorragendste Geist seiner Zeit schliesslich zur Erkenntnis der Leere einer
einseitigen Verstandesaufklärung gekommen war.
Mit Kellgren wetteiferte K. G. a† Leopold (1756—1829), der jenem an genialer
Begabung vielleicht noch überlegen war. Leopold ist in seinen Briefen in
Versen, seinen Erzählungen und Odén in der Form eleganter als Kellgren, lässt
aber dessen Wärme und Begeisterung vermissen. Eine dritte Ideenträgerin dieser
Zeit ist Anna Maria Lenngren (1755—1817); man weiss nicht, was man am
meisten an ihr bewundern soll: das vornehme Gemüt oder die unterhaltende,
meist recht harmlose Satire. Ihre Stärke liegt in kleinen, fein ausgemeisselten
Genrebildern.
In Opposition zu Voltaires philosophischen Ideen stellt sich eine Schule, die
in Frankreich durch J. J. Rousseau und in Deutschland durch die Sturm und
Drang-Dichter vertreten wird. In Schweden finden wir als Repräsentanten dieser
Richtung T. Thorild (1759—1808), der mit Begeisterung für das Recht der
Empfindung und der Natur eintritt und in kräftiger, doch oft übertriebener Art
die Beschränkung in der Auffassung nachweist, die dem französisch-klassischen
35—130177. Schweden. I.
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