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Kanada Ruft Osterreich
Von welcher Richtung man sich
auch unserer Hauptstadt Ottawa nä-
hert, zieht der graziôse Turm der
gothischen Gebäudegruppe die Auf-
merksamkeit des Beschauers auf sich
ehe noch die Stadt selbst ins Blickfeld
räckt.
Die Geschichte des kanadischen
Parlamentshauses reicht nicht ganz
100 Jahre zuriick. Kurz nachdem
Kônigin Victoria das kleine Stadtchen
an der Grenze der heutigen Provinzen
Quebec und Ontario zur Hauptstadt
Kanadas erhoben hatte, wurden die
Plane für einen zentralen Regie-
Der Lesesaal der Bibliothek.
rungsitz in Angriff genommen. Sie
sahen drei Gebäude vor: den lang-
gestreckten Mittelbau, der den beiden
Volksvertretungen- dem Unterhaus
und dem Senat — dient, und zwei
Flügel, den Ost-und den Westblock, die
verschiedene Ministerien enthalten.
Traditionell befinden sich im Ostblock
die Amtsräume des Ministerpräsi-
denten und des Aussenministers, so-
dass der Name Ostblock im kanadi-
schen politischen Leben zu einem
ahnlichen Begriff geworden ist wie
etwa ‘Ballhausplatz” in der Ge-
schichte Osterreichs. Im Jahre 1865
war der Bau beendet und verblieb
im grossen und ganzen unverändert
bis zu dem grossen Brande des Parla-
mentes im Jahre 1916, der das ge-
samte Mittelgebäude mit Ausnahme
der wunderschônen oktagonalen Bi-
bliothek zerstorte.
Der Wiederaufbau folgte den alten
Plänen in etwas vergrôssertem Mass-
stab, gababer vorallem Gelegenheit zur
Errichtung des Mittelturms, der den
Namen Friedensturm erhielt. Er hat
die Gestalt eines Campanile, 9114
Meter hoch, und ähnelt Giottos
Glockenturm in Florenz sowohl in
Hôühe wie Baustil. Das Unterhaus
tagt in einem Saal, der nicht wie die
meisten Parlamente die Sitze der
Abgeordneten in Halbkreisform ent-
halt, sondern nach englischem Mus-
ter in langen geraden Reihen den
Wanden entlang. Es gibt auch keine
Rednertribüne, sondern die Abgeord-
neten sprechen von ihren Sitzen aus,
nachdem sie durch Aufstehen dem
“Sprecher’— dem Parlamentspräsi-
denten — ihren Wunsch angedeutet
haben, “erkannt’’ zu werden, d.h.
das Wort zu erhalten. Der ‘“‘Sprecher”’
sitzt auf einem durch einige Stufen
erhôhten Thron, der die Querseite
des Saales einnimmt. FEinen ganz
grossen Vorzug hat das kanadische
Parlamentsgebäude wohl vor den
meisten, wenn nicht allen, europäi-
schen: private Büroräume nicht nur
fiir die Mitglieder der Regierung,
sondern auch die Abgeordneten.
Reisebeschreibungen Kanadas k6n-
nen nicht genug die Schôünheit und
Wiirde der Parlamentsbauten in Ot-
tawa rühmen. Um ihnen aber wirklich
gerecht werden zu k6nnen, muss man
sie zur friihen Morgenstunde gesehen
haben, vom gegentiberliegenden Ufer
des mächtigen Ottawaflusses aus,
wenn die Strahlen der aufgehenden
Sonne Dacher und Giebel, Bogen und
Türme in glühendes Licht hällen,
wenn die reinen und graziôsen Linien
dieses architektonischen Meisterwer-
kes eins zu sein scheinen mit dem
hochaufragenden Felsen, der es trägt.
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