Full resolution (JPEG) - On this page / på denna sida - I. Undersökningar - Tor Andrae, Der Ursprung des Islams und das Christentum. III. Die Eschatologische Frömmigkeit Muhammeds
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TOR AND RAE
Mekka nicht gleich zu einem arabischen Babylon und
Muhammed gar zu einem sozialistischen Reformator machen. Waren
doch sicherlich die Klassenunterschiede hier noch weit geringer
als in der antiken Kulturwelt, und überdies darf man nicht
vergessen, dass Muhammed die Weltlichkeit auch bei Menschen
zu tadeln hatte, die nach unserem Urteil in recht kärglichen
Verhältnissen lebten, nämlich auch bei den Beduinen. Die
Entstehung der eschatologisch eingestellten Frömmigkeit
Muhammeds ist jedenfalls nicht aus diesen Verhältnissen zu
erklären. Ganz dieselben Gedanken, die Verurteilung der
unbarmherzigen Reichen, die Einschärfung der Pflichten gegen Witwen
und Waisen, die Gegenüberstellung von weltlicher Sorglosigkeit
und besinnlicher Einstellung auf das Jenseits fand er schon in
einem geschlossenen Ideenkomplexe vor, zu dessen Aufnahme
ihn freilich die Erfahrungen in dem damaligen Mekka offenbar
bestimmt haben.
Viele religionswissenschaftliche Forscher dürften es
freilich von vorn herein als unberechtigt betrachten, wenn man
zur Erklärung einer geschichtlichen Erscheinung, die sich
allenfalls aus eigenen Voraussetzungen erklären lässt, auch fremde
Einflüsse heranzieht. Von theologischer Seite spricht man oft
sehr geringschätzig von dem verständnislosen
»Subtraktionsverfahren», mit dem die vergleichende Religionsgeschichte die
Eigenart religiöser Gebilde festzustellen sucht. Es sei doch
die erste und gleichsam höhere Aufgabe, die Frömmigkeit oder
die religiösen Gedanken eines Mannes oder einer Richtung
durch eine tiefgrabende interne Untersuchung aus ihren eigenen
Motiven und ihrer eigenen Entelechie verständlich zu machen.
Demgegenüber sei kurz daran erinnert, dass es nicht einzusehen
ist, warum die beiden Aufgaben: die Darstellung der inneren
Entwicklung und der Nachweis fremder Einflüsse irgendwie im
Gegensatz zu einander stehen sollten; oder warum es bei einer
religionsgeschichtlichen und religionsspychologischen
Untersuchung eine höhere methodische Feinheit bedeuten sollte, wenn
man die geistige Persönlichkeit oder doch das betreffende
religiöse Gebilde als Monade ohne Fenster betrachten wollte. Als
ob nicht eben die grössere Zahl der zu beachtenden geistigen
Faktoren eine umso grössere Umsicht und schärfere
Beobachtung bei der internen Analyse erforderlich machte! Nicht nur
die religiösen Gedanken, sondern auch die Frömmigkeitstypen
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