Full resolution (JPEG) - On this page / på denna sida - I. Undersökningar - Tor Andrae, Der Ursprung des Islams und das Christentum. III. Die Eschatologische Frömmigkeit Muhammeds
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DER URSPRUNG DES ISLAMS UND DAS CHRISTENTUM
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tenbuches kennen, erhebliche Veränderungen erfahren. Dass
das Gericht in der Halle des Osiris vor 42 Richtern stattfindet,
hat wohl wenig zu besagen, denn offenbar ist doch Osiris als
der oberste Richter aufgefasst worden, während die übrigen
sowie so als seine Beisassen gedacht waren. Auffallender ist
es hingegen, dass bei den Kopten nirgends von der Wage, auf
der das Herz gewogen wird, die Rede ist. Statt dessen stellt
sich ein Engel ein, der das Sündenverzeichnis des Beklagten
in seinen Händen hält. Das kann ein christlicher Zug sein,
selbstverständlich aber auch auf einer Weiterentwickelung der
altägyptischen Vorstellungen beruhen, die in der langen Zeit seit
der Abfassung der grossen Totentexte auf ägyptischem Boden
stattgefunden hat. In den Engeln ohne Mitleid sieht
AmÉLI-neau1 wohl mit Recht die Dämonen der ägyptischen
Totenbücher. Beide Gruppen tragen dieselben Attribute, die Lanze
und die feurige Geissei.
Man könnte nun die Frage aufwerfen, ob denn wirklich die
alte ägyptische Religion, soweit wir ihrem inneren Wesen und
dem Geist ihrer kultischen Bräuche überhaupt nahekommen
können, etwas von der düsteren, ausgesprochen lebensfeindlichen
Art der Mönchsfrömmigkeit verrate. Dass die Ägypter wie
kein zweites Volk der Erde ein Interesse für das jenseitige
Leben gehabt haben, steht wohl ausser allem Zweifel. Die
bedeutendsten Erzeugnisse der ägyptischen Baukunst sind
Grabstätten, fast alle religiösen Urkunden von Belang sind
Totentexte, das Höchste, was der Ägypter im Leben tun oder
denken konnte, bezog sich auf das Jenseits. Und doch darf man
die ägyptische Lebensauffassung, jedenfalls soweit wir sie
kennen, kaum als eine pessimistische bezeichnen. Nach den
Totentexten, die uns vorliegen, zu urteilen, hat der Ägypter dem
jenseitigen Leben nicht mit Furcht oder Schrecken, sondern
mit zum Teil sehr hochfliegenden Erwartungen entgegengesehen.
Dabei dürfen wir freilich nicht vergessen, dass wir es hier mit
den Anschauungen der höchsten Stände zu tun haben, mit
dem Glauben von Menschen, die gewöhnt waren, auf der
Sonnenseite des Lebens zu sein, die auch Mittel besassen, sich
von den möglichen Gefahren und Unbill nach dem Tode
loszukaufen. Die Vorstellung, dass das Loos der Vornehmen und
Reichen auch im Jenseits ein besseres sein müsse als das des
1 Ä\ H. R„ XV, 83.
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