Full resolution (TIFF) - On this page / på denna sida - Häfte 8 - Helmuth Duve. Die freie Schulgemeinde als Erziehungsideal
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DIE FREIE SCHULGEMEINDE ALS ERZIEHUNGSIDEAL 235
das aristokratische Ideal der Sezessionsschule vertrat. Aber
trotz dieser prinzipiellen Verschiedenheit war man beiderseits
sich einig in der Ablehnung der staatlichen Klassenschule,
die mit der zunehmenden Spezialisierung ihrer Lehrpläne
mehr und mehr zur ausschliesslichen
Berufsvorbereitungsanstalt geworden war, während ihre ursprüngliche
Bestimmung, Erziehungsarbeit zu leisten, dabei fast ganz vergessen
wurde. Beiderseits war man Gegner jenes altpreussischen
Schulsystems, dessen Konto — trotz seiner einzigartigen
Leistungserfolge in der Erwerbung von Kenntnissen ■— doch mit
54 Schülerselbstmorden belastet werden musste, die
durchschnittlich pro Jahr zu verzeichnen waren (wie Geheimrat
Eulenburg für die Jahre 1883—1903 auf Grund des amtlichen
Aktenmaterials festgestellt hat) — eine erschreckende
Tatsache, die für sich selbst sprach. Und wenn auch ein Teil
dieser Schuld der allgemeinen Lebenslage, den
Grossstadtverhältnissen sowie der falschen Behandlung der Schüler durch
das Elternhaus zuzumessen ist, so darf man die Schule, eben
jenes System, keineswegs davon freisprechen. Es war eine
leichtsinnige Unterlassungssünde, dass die Ursachen dieser
erzieherischen Misserfolge nicht vorbehaltlos aufgedeckt und
das System daraufhin nicht wesentlich geändert wurde.
Die Schuld der Schule war eine negative. Positiv war
es der tief verwurzelte Zwiespalt zwischen Freiheit und
Notwendigheit, zwischen der Selbstbehauptung der Persönlichkeit
und den autokratischen Zweckforderungen der Allgemeinheit,
woran jene Schüler zu Grunde gingen, ohne dass ihnen die
Erzieher in dem Kampfe Beistand leisten konnten. Im
allgemeinen waren wohl auch die höheren Schulen anderer
Länder, vor allem Z^7/ranstalten; aber in Preussen machten
die intellektuellen Zweckforderungen im Schulbetrieb
ausschliesslicher und härter sich geltend als anderswo; das hing
zusammen mit der Verfassung des Klassenstaates, mit der
Überschätzung des Berechtigungswesens und mit dem
technisch industriellen und militärischen Aufschwung seit der
Mitte des vorigen Jahrhunderts.
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