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jeder Hinsicht als ein rückschrittliches Land zu be-
trachten; für mich war es daher eine Ueberraschung,
dorthin zu kommen und zu sehen, wie weit voraus
man bereits auf einzelnen Gebieten war. Russland
hatte verschiedene grossindustrielle Anlagen, die tech-
nisch am vollkommensten und am modernsten waren.
Es gab nur wenige Betriebe, die unter tausend Ar-
beiter hatten.
Gleichwohl gaben nicht die Arbeiter der Stadt ihr
Gepräge. Die waren hier, wie sie es allerorts sind,
eine untergeordnete Kaste, die nichts zu suchen hatte
ausserhalb derkurzen, unsichtbar abgesperrten Strecke
vom Fabriktor zur Hinterhofhöhle und wieder zurück.
Ein Arbeiter auf dem Newski-Prospekt war damals
eine ebenso seltene Erscheinung wie etwa heute in
Kopenhagens Hauptstrasse.
Desto schärfer wurde das Bild der Stadt geprägt
von der russischen wohllebenden Oberklasse — von
Adeligen und Dirnen! Offiziere mit ihren glänzenden
Uniformen und ihrem herausfordernden Auftreten
und deren wahnwitzig aufgedonnerte Maitressen ga-
ben den Ton an. Denen folgten dicht auf den Fer-
sen: Landjunker, die hier herumschwelgten und den
Schweiss ihrer Bauern in Champagner umsetzten;
adelige Knochennager des ungeheuren Regierungs-
apparats; gute Bürger, die den Koller bekamen, wenn
sie die andern sahen und sich darauf verlegten, gassa-
tim zu gehen; Vatersöhne! Selbst dieSchreiberjungen
der fremden Gesandtschaften legten sichVisitenkarten
mit der Grafenkrone zu und ein Wappenschild mit
der Devise: Nachtcafél Weiber! Kassenbetrug! Audi
auf diesem Gebiete der europäischen Kultur war Russ-
land den andern eine Pferdelänge voraus; seine Ober-
klasse befand sich schon damals auf einer Stufe, die
das übrige Europa erst im Weltkrieg erreichte. In
Russlands Grosstädten, vor allem in Petersburg und
Moskau,wurden imHandumdrehen die riesigen Reich-
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