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III. STAATSVERFASSUNG UND VERWALTUNG.
lockten den bürgerlichen Mittelstand, die Bauern hinwiederum konnten nur mit
Grundsteuer belasteten Grund und Boden besitzen und hatten kein freies
Verfügungsrecht über denselben. Ein Zufall entfachte bald nach 1770 die
Standeskämpfe; die Vorrechte des Adels wurden in zahlreichen Flugschriften
angegriffen, und weitgehende Forderungen nach sozialer und politischer Gleichheit
wurden erhoben. Die Privilegien des Adels waren bedroht, und da überdies
infolge der Korruption in der herrschenden Partei und ihrer Abhängigkeit von
Russland die Selbständigkeit des Reiches in Gefahr war, unternahm Gustav III.
mit Hilfe des Adels seinen berühmten Staatsstreich von 1772.
In einer neuen Konstitution wurde die Staatsverfassung festgelegt. Der König
erhielt seine selbständige Stellung als Staatsoberhaupt wieder, und eine
Machtverteilung wurde teilweise durchgeführt, indem für die Gesetzgebung die
Zustimmung des Königs und des Reichstages erfordert wurde. Das Zusammentreten
des Reichstages hing jetzt aber von der Willkür des Königs ab, und die Reichsräte
waren jenem nicht verantwortlich; er hatte zwar das Besteuerungsrecht, aber
keinerlei wirksame Kontrolle über die Verwendung der Staatsgelder. Die
konstitutionelle Staatsverfassung war somit mehr scheinbar als wirklich, und seine
wirklichen Minister suchte der König innerhalb wie ausserhalb des Reichsrates.
Bald zeigte es sich, dass der König die Tätigkeit des Reichstages auf jede Weise
zu neutralisieren und aus den vielfach unbestimmten Ausdrücken der
Staatsverfassung Nutzen zu ziehen suchte. Als schliesslich ein starkes Missvergnügen
hierüber wie über manches andere entstand, stürzte sich der König in den Krieg
mit Russland. Hier schlug die Unzufriedenheit in hellen Flammen aus in der
von adligen Offizieren geleiteten Anjala-Meuterei. Den infolgedessen
ausbrechenden Ständekampf geschickt benutzend, führte Gustav III. eine neue Staatsumwälzung
durch (1789), und durch einen Zusatz zur Konstitution, die Vereinigungs- und
Sicherheitsakte genannt, gewann er freie Hände in der Staatsregierung, das Recht
Krieg anzufangen u. s. w. Die Macht des Reichstages wurde weiter beschränkt,
der uralte Reichsrat aufgelöst, und der König beriet sich mit einem ziemlich
willkürlich gebildeten Ministerium. Für die oberste Rechtsprechung wurde ein
besonderer oberster Gerichtshof, zur Verwaltung der Staatsschulden aber eine
Reichsschuldenverwaltung eingesetzt, die unter eigene Leitung der Stände gestellt wurde.
Die Standesunterschiede wurden ein wenig ausgeglichen. Die Nichtadligen
erhielten Zutritt zu den meisten Ämtern, und die Lage des Bauernstandes wurde
wesentlich verbessert. Die Staatsverfassung hatte sieh jedoch wiederum der
unumschränkten Monarchie genähert.
Nachdem Gustav IV. Adolf (1792—1809), unfähig, die grosse Macht, die das
Gesetz ihm an die Hand gab, zu benutzen, das Reich nahe an den Rand des
Unterganges gebracht und man ihm die Regierung abgenommen hatte (13. März 1809), traten
die Reichsstände zusammen und standen abermals vor der Lösung einer Aufgabe,
ähnlich der, die ihre Vorfahren nach dem Tode Karls XH. zu lösen gehabt hatten:
die Staatsverfassimg des Reiches zu ordnen; denn dass diese geändert werden
musste, darüber waren sich alle einig.
Die Reichstagsbcschliisse von 1809 führten die noch heute geltende
Staatsverfassung ein. Bei deren Festlegung hatte man eine reiche
Erfahrung in entgegengesetzten Richtungen, aus der man Nutzen ziehen
konnte, und die Gesetzgeber zeigten sich auch ihrer Aufgabe wohl
gewachsen. Sie verstanden es, einen massvollen Mittelweg einzuhalten
zwischen den Übertreibungen der Vielherrschaft und der Alleinherrschaft
und führten im wahren Sinne konstitutionelle Grundsätze durch. Mit
Ausnahme der Bestimmungen tiber die Zusammensetzung des Reichstages
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