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92 Zehntes Kapitel.
galt für das Gebiet östlih vom Fluß Angerapp, das noch nicht sicher
gegen Kriegs8gefahr war. Das Gebiet westlih davon wurde dagegen für
vollkommen gesichert angesehen, und hier begann shon die Wiederbesied-
lung; ein Kommissar für das Flüchtlingswesen, ein Landeshauptmann
in Königsberg, leitete sie. Bei meinem Besuch in Goldap waren 400 Per-
sonen dorthin zurückgekehrt, doh nur solche, die triftige Gründe hatten
und deren Anwesenheit besonders erwünsht war. Die Stadt war buch-
stäblih ausgestorben gewesen; jetzt erwachte sie langsam wieder zum Leben.
Der Markt bot einen mehr als traurigen Anblick. Mit Ausnahme
von drcien waren alle Gebäude niedergebrannt, und die rußigen, naten
Mauern standen mit klaffenden Fenstern da. Bei einem von den äußer-
lih „unbeschädigten“ Häusern war die Brandstiftung mißglückt. Sein
Innercs war geplündert und auf die greulichste Weise bes<hmutßt. Die
Möbel und Bilder, die man nicht weggenommen hatte, waren in kleine
Stücke zerschlagen, und in den Zimmern hatten die Soldaten ihre Not-
durft verrichtet.
Das cine von den zwei übrigen „ganzen“ Gebäuden am Markt
hatte dem russischen Kommandanten als Quartier gedient, in dem andern
hatten die Russen ein Typhuslazarett eingerichtet. Jett hatte die Stadt
ein Lazarett mit fünf Ärzten. Die bciden Apothcken Goldaps warcn
vollständig zerstört; in der einen, „Zum goldenen Kreuz‘“, waren alle
Büchsen und Flaschen zerschlagen, alle Kasten durchceinandergeworfen und
die Medikamente und Pulver verstreut — um den Deutschen bei ihrer
Rückkehr die Krankenpflege zu ershwereu! Ebenso war das Kreiskranken-
haus der Stadt niedergebrannt, trotdem auf ihm die Flagge des Roten
Kreuzes wehte. Durch einen eigentümlichen Zufall waren die Flammen,
die das Innere verzehrten, vor einem kleinen Christusbilde ausgewichen,
das unbeschädigt noh an seinem Nagel hing. Die protestantische Kirche
war verschont geblieben, ihr Inneres aber nah griechisch-katholischem
Muster umgeschaffen. Vor dem Chor war eine einfache IZkonostasis er-
rid tet, und alle Bänke hatte man hinausgetragen. Eine Tafel, die die
Namen der 1570 gefallenen Krieger verzeichnete, war spurlos ver-
shwunden. Als die Deutschen vor kaum einem Monat, so erzählte mir
der Bürgermeister, Goldap wicdernahmen und in die verwüstete Stadt
hereinstürmten, exflangen brausende Orgeltöne aus den offenen Türen
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