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318

(1916) [MARC] Author: Sven Hedin - Tema: Russia, War
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Full resolution (JPEG) - On this page / på denna sida - 24. Russische Briefe

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318 Vierundzwanzigstes Kapitel.

sie die ganze Tragweite des Elends nicht früher erfährt, so wird ihr
wohl die Wirklichkeit an dem Tag aufgehen, an dem die Kosaken die
Bevölkerung ihres Dorfs nah Osten treiben, und wenn sie das Dorf
hinter si< brennen sicht. Auf cinem Karren fährt sie ihre Tochter
Elena, die Briefe Androschkas und das Notwendigste zum Lebensunter-
halt. Sie gehört nicht zu denen, die im Unglü>k den Mut verlieren.
Vielleicht hat \ie bis zu dieser Stunde noh keine Ahnung davon, daß
ihr Mann tot ist, und daß alle ihre heißen Wünsche und Gebcte und
die herzlichen Grüße und zarten Küsse, die sie ihre Tochter in die Briefe
cinflehten ließ, vergebens gewesen sind. Sie sei \roh, sagt sie, ihren
Mann in Jaroslau zu wissen. Dort sollte er auch fallen; dort sah ih
ihn im Norden der Stadt an einem Straßengraben tot liegen und neben
ihm alle die Bricfe aus der Heimat. Gott hat ihr Gebet nicht er-
hört, er hat sie für immer getrennt! —

Auf meinen Wanderungen durch die Schützengräben las ich viele
solcher Briefe. Wohl weichen sie voneinander ab infolge der Verschieden-
heit der Heimatsorte, der Familienbande und des Bildungsgrads, aber
im großen ganzen sind sie einander sehr ähnlich, denn der Gedanken-
kreis des Schreibenden ist eng. Sie verraten Treue in der Ehe, Liebe
zur russischen Erde und zum Heimatdorf, Schnsucht nach den Abwesenden
und nach Frieden, festes Vertrauen auf Gottes Hilse und Glauben an
cin Wiedersehen, wenn Gott in seiner Gnade es gestattet.

Was aber in diesen Briefen fehlt, das ist der Haß! Stundenlang
fann man Seite um Seite lesen, und niemals wird man ein unfreund-
liches oder böses Wort über den Gegner finden. Diese einfachen Bricf-
schreiber, die dazu verurteilt sind, Tage, Monate und Jahre zu warten,
lassen ihre Unruhe niemals in harten und erniedrigenden Worten über
Deutsche, Österreicher oder Ungarn aus. Wenn sie schen, daß das
Kriegsglück gegen sie ist, so suchen sie niht Ersaß und Troft in feigen
und ungerechten Beschuldigungen wegen Grausamkeiten und Verbrechen,
die der Feind begangen haben soll. Diese Zurückhaltung ist ein sym-
pathischer Zug all dieser russishen Bricfe und wirft cinen versöhnenden
Schimmer auf dieses Volk.

Leider aber ist diese Schönheit, wenn man genau zusieht, auh nur
ein Blendwerk. In den stillen Häusern, aus denen diese zurückhalten-

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